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FAHRGAST - Die Zeitung
Ausgabe 1/2001 - März 2001
www.fahrgast.at/z01-1-1.htm - Letzte Änderung dieser Seite am 26.3.2001 (ARK)
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Der Privatisierungseintopf

Warum Regulierung und Liberalisierung wichtig sind

In letzter Zeit ist viel von der Privatisierung der Verkehrsunternehmen die Rede; meistens hört man in diesem Zusammenhang von "britischen Zuständen" (übrigens zu Unrecht), und vor allem die Gewerkschaften schreien dann von Chaos und Ausverkauf. Doch stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass hier die Begriffe "Privatisierung", "Ausgliederung", "Liberalisierung" und "De-Regulierung" in einen Topf geworfen werden, obwohl sie grundverschiedene Dinge bedeuten.

Regulierung

Regulierung bedeutet, dass der Auftraggeber von Verkehrsdienstleistungen - meistens eine Gebietskörperschaft wie Bund, Land oder Gemeinde - mit dem beauftragten Unternehmen einen konkreten Verkehrsdienste-Vertrag vereinbart. In diesem Vertrag sind die zu erbringenden Leistungen quantitativ und qualitativ dermaßen festgehalten, dass deren tatsächliche Erfüllung jederzeit und stichprobenartig überprüft werden kann. Das Unternehmen erhält die vereinbarten Zahlungen nur dann zur Gänze, wenn auch die Leistungen zu hundert Prozent erbracht wurden - andernfalls gibt es Abzüge und Pönalezahlungen. Derzeit werden viele Leistungen gar nicht (z.B. ausgefallene Züge, Waggons, Busse) oder nur teilweise erbracht (z.B. unbeheizte Fahrzeuge, mangelnde Fahrgastinformation etc.).

Sinnvollerweise werden diese Aufgaben (Vertragsvereinbarung, Kontrolle, Bezahlung) von den Gebietskörperschaften an die Verkehrsverbünde delegiert, da auf diese Weise Kompetenzunklarheiten vermieden und eine überregionale Einheitlichkeit und Kooperation sowie eine politische Entflechtung geschaffen werden.

In Österreich kann man de facto von einem unreguliertem Zustand sprechen, da einerseits die Vorgaben an die Verkehrsunternehmen nicht oder nur minimal definiert sind und selbst deren Nichteinhaltung kaum kontrolliert, geschweige denn sanktioniert wird. Das Paradebeispiel sind die ÖBB, welche in ihrem "Revier" - oft unter Missachtung des Eisenbahngesetzes - fast nach Belieben schalten und walten können - siehe Tariferhöhungen und Leistungsreduktionen.

Liberalisierung

Unter Liberalisierung wird in diesem Kontext der freie Netzzugang für Dritte verstanden. Die Bahn-Infrastruktur soll idealerweise von den Gebietskörperschaften verwaltet und von verschiedenen Betreibern genutzt werden, soferne diese bestimmte Bedingungen erfüllen. So muss beispielsweise der Netzbereich der ÖBB seine Infrastruktur der Graz-Köflacher-Bahn für Züge auf der Südbahn oder der OMV für Ganzzüge auf der Ostbahn zu angemessenen Konditionen zur freien Verfügung halten. Für die Kontrolle des freien Netzzuganges ist eine Regulierungsstelle eingerichtet, in Österreich ist dies die Schienen-Control mit Railregulator Gerhard Fuhrmann. Die Liberalisierung des Schienennetzes und des Nahverkehrs wird von der EU demnächst verordnet werden.

Durch die Liberalisierung können bestehende Monopole (z.B. ÖBB, Wiener Linien) durchbrochen werden, da bestimmte Verkehrsdienstleistungen nun ausgeschrieben und an den Bestbieter vergeben werden können. Dadurch besteht fast zwingend ein Bedarf zur Regulierung, während eine Regulierung auch ohne Marktöffnung stattfinden kann und muss (z.B. genauer Leistungskatalog für ÖBB oder Wiener Linien).

Privatisierung

Unter Privatisierung versteht man, wenn eine Gebietskörperschaft die Mehrheit an einem Unternehmen, das mehrheitlich oder zur Gänze in ihrem Besitz steht, an eine oder mehrere Privatunternehmungen abgibt.

In diesem Zusammenhang sei auf die sprachliche Ungenauigkeit bezüglich der so genannten "Privatbahnen" hingewiesen. Unter einer Privatbahn versteht man im allgemeinen, dass diese nicht dem Staat (Staatsbahn, Bundesbahn), sondern einem Land oder einer Gemeinde gehört. Beispielsweise gehören 96,6 % der österreichischen "Parade-Privatbahn" WLB (Badner Bahn) der Beteiligungsmanagement GmbH, einer Tochter der Wiener Stadtwerke-Holding AG, und nur 3,4 % sind Streubesitz. Während der Republik Österreich die Graz-Köflacher-Eisenbahn zur Gänze gehört, hält sie an der Raab-Ödenburger Eisenbahn ein Drittel - der Mehrheitseigentümer ist die Republik Ungarn mit 61 %. Tatsächlich in privatem Besitz sind hingegen einige der von Stern & Hafferl betriebenen Bahnen (nämlich die Linzer Lokalbahn, die Traunseebahn, die Attergaubahn sowie die Straßenbahn Gmunden).


(c) www.viennaslide.com Zwei grundverschiedene Unternehmen, Badner Bahn und Wiener Linien, sind im Eigentum der Gemeinde Wien.
 
Foto: (c) www.viennaslide.com

Ausgliederung

Gemeinde, Land oder Staat können beschließen, ein ihnen gehöriges Unternehmen auszugliedern. Dies soll eine Art "virtuelle" Privatisierung darstellen. Das Unternehmen verbleibt (vorerst) im Besitz der Gebietskörperschaft, kann aber (theoretisch) eigenständig agieren und Partnerschaften mit anderen Firmen eingehen. So wurden die Wiener Stadtwerke in eine Holding ausgegliedert, die zu 100% der Gemeinde Wien gehört; und die Wiener Linien sind eine 100%-ige Tochter dieser Holding. Ähnlich ist die Situation bei den ÖBB.

Wird nach erfolgter Liberalisierung eine bestimmte Verkehrsdienstleistung ausgeschrieben, ist es prinzipiell völlig unerheblich, ob sich daran staatliche, ausgegliederte oder private Unternehmen beteiligen, solange die Vergabe nach klaren Richtlinien und ohne Bevorzugung geschieht.

Defizit

In diesem Zusammenhang sei auch erwähnenswert, dass immer wieder vom Defizit des öffentlichen Verkehrs die Rede ist. Genau betrachtet ist diese Aussage Unsinn. Öffentlicher Verkehr ist eine Dienstleistung, deren Erbringung einen gewissen Wert hat, welcher abzugelten ist. Da in den meisten Fällen die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf nicht ausreichen, müssen die Gebietskörperschaften ebenfalls etwas dazu beitragen (wobei nicht nur die Fahrgastbeförderung an sich, sondern auch die damit verbundene Vermeidung anderer Probleme einen, allerdings schwer quantifizierbaren, Wert darstellt - ein Faktum, das zumeist gerne unterschlagen wird). Diesen Beitrag als Defizit des Verkehrsunternehmens zu bezeichnen, ist jedoch schlicht und einfach falsch. Diese Denkensweise ist in einer Zeit entstanden, in der die Verkehrsbetriebe ein Teil der Gemeinde oder des Staates waren und keine entsprechende Leistungsverrechnung stattfand.

Natürlich können auch Verkehrsunternehmen defizitär sein. Dies kann mehrere Gründe haben. Unternehmerische Fehlentscheidungen, Mängel in der Kostenrechnung, unerwartete Ereignisse und dergleichen, wie sie jeder Firma passieren können. Fatal wird es, wenn ein Unternehmen bei einer Ausschreibung die Konkurrenten durch möglichst niedrige Preise und hohen Erwartungen aus dem Feld schlagen möchte und diese Zusagen dann nicht einhalten kann - dies gilt auch für den Verkehrssektor. Hier muss den Auftraggebern bewusst sein, dass eine Verkehrsdienstleistung ihren Preis hat. Sehr wichtig erscheint uns die Feststellung, dass gegenüber dem status quo noch enorme Einsparungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Jedenfalls sollte der Öffentliche Verkehr genauso als Allgemeinleistung gelten wie das Schulwesen oder die Landesverteidigung und nicht als Privatsache. Oder können Sie sich vorstellen, dass die Straßenbeleuchtung nur nach Münzeinwurf funktioniert, der Straßenkehrer die nächsten 10 Meter nur nach Lösen eines Straßenkehrscheines reinigt und für den Besuch des nahen Beserlparks ein Eintritt von 20 Schilling verlangt wird?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Privatisierung oder Ausgliederung eines Verkehrsunternehmens dem Fahrgast relativ egal sein kann. Wichtig ist es, dass der Kunde künftig mehr Leistungen um weniger Geld geboten bekommt. Und dies bedeutet in erster Linie eine umfassende Regulierung und zweitens eine sinnvolle Liberalisierung.

Andreas René Klement


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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