Internationales Fahrgasttreffen
in Zürich
PRO BAHN Schweiz lud am 15. Mai 1999 im Züricher Hauptbahnhof europäische Fahrgastverbände zu einem Treffen ein, bei dem Probleme des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs besprochen werden sollten. Der Einladung folgten Vereine aus der Schweiz, Österreich, Deutschland, Luxemburg und Belgien.
Gemeinsam wurden folgende zu lösende Punkte vereinbart:
(1) Durchtarifierung:
Es soll in Zukunft erreicht werden, daß ein Bahnreisender von jedem beliebigen Bahnhof Europas bis zu jedem anderen beliebigen Bahnhof Europas eine durchgehende Fahrkarte erhalten kann. Es muß doch möglich sein, von Gmünd nach Siegburg bei Bonn eine Fahrkarte zu erhalten. Im Zeitalter des Computers darf dies keine Schwierigkeiten mehr verursachen. Die SBB untersucht in diesem Zusammenhang die Einführung einer Chipkarte unter dem Namen "Easyride".
(2) Haftungsregelung:
Es sollen in Zukunft Grundrechte der Fahrgäste europaweit gesetzlich geregelt werden. So sollte es etwa bei verspäteten Anschlüssen nicht von der Laune eines Bahnbediensteten abhängen, ob der Reisende für die nötige Übernachtung ein Hotelzimmer zugewiesen bekommt.
(3) Normen und Ausschreibungen:
Es sollte besonders im Hinblick auf privat betriebenen Schienenverkehr ein gesetzlich geregelter europäischer Qualitätsstandard für den Transport der Fahrgäste geben, sodaß bei Ausschreibungen nicht der Billigstbieter den Zuschlag erhält, wenn seine Verkehrsmittel für Fahrgäste eine Zumutung sind.
(4) Fahrplanauskunft:
Die Fahrpläne aller europäischer Transportunternehmer müssen frei zugänglich sein. Es sollte eine Abgabepflicht der Fahrpläne an eine Zentralstelle bestehen. Keinesfalls dürfen beispielsweise Busfahrpläne lediglich durch einen Aushang an einer Haltestelle ersichtlich sein. Ebenfalls müssen aus den Fahrplänen die Komfortmerkmale der Transportmittel ersichtlich sein.
(5) Zulassung von Fahrzeugen über Landesgrenzen:
Die technischen Normen müssen in Europa so weit vereinheitlicht werden, daß Fahrzeuge über Landesgrenzen fahren können. Es darf nicht wieder vorkommen, daß z. B. an der französisch-deutschen Grenze die Fahrgäste nur deshalb umsteigen müssen, weil die Fahrzeuge im jeweils anderen Land nicht verkehren dürfen oder die "Brennerlok" nicht nach Italien fahren darf.
Weiters wurde darüber gesprochen, ob den europaweit tätigen Fahrgastvertretungen AEDTF oder T&E beigetreten werden soll. Einige Fahrgastverbände wie PRO BAHN Deutschland sind bereits Mitglieder von T&E. Über die Tätigkeiten von AEDTF und T&E werden wir in einer späteren FAHRGAST-Zeitung berichten.
Um ein konkretes Ergebnis des Treffens zu erreichen, wurde von allen beteiligten Gruppen beschlossen, das Thema "Aufbau von Reiseketten im europäischen Schienenverkehr" zu behandeln. Dabei geht es darum, zu ermitteln, wie der Bahnverkehr attraktiver gemacht werden kann. Es ist ja unbestritten, daß Busreiseunternehmen ihren Fahrgästen die Koffer bis ins Hotelzimmer bringen lassen und sich der Fahrgast umsorgt fühlt. Dies gilt es auch für Bahnreisende zu erreichen.
Alle Fahrgäste sind aufgerufen, Hemmschwellen für eine komfortable Bahnreise zu nennen und ihre Vorstellungen darzulegen, wie diese Hemmschwellen beseitigt werden könnten.
Einige Gedanken dazu: Könnte der gerufene Taxifahrer nicht das Gepäck in der Wohnung abholen, anstatt vor der Wohnungstüre auf den Kunden zu warten? Könnte der Taxifahrer das Gepäck der Reisenden nicht an der Waggontüre abholen und zu seinem Fahrzeug bringen? Sollten nicht an allen Bahnhöfen und Haltestellen Umgebungspläne angebracht werden, sodaß sich der ortsunkundige Fahrgast zurecht findet? Sollten Bahnhöfe nicht Unterlagen von allen bahnhofsnahen Unterkünften bereithalten und auch darüber Auskunft geben können, welche dieser Hotels die Gäste direkt am Bahnsteig abholen? Und wie könnten diese Anliegen in die Tat umgesetzt werden?
Auf Einladung von PRO BAHN Schweiz klang der Tag mit einer schönen Fahrt in einem historischen Wagen auf den Hausberg Zürichs, den Uetliberg aus. Die Teilnehmer waren sich einig, in spätestens einem Jahr wieder zusammenzukommen, um das bis dahin Erreichte zu besprechen.
Peter Romen