FAHRGAST - Die Zeitung |
Ausgabe 3/99 - Oktober 1999 |
www.fahrgast.at/z99-3-1.htm - Letzte Änderung dieser Seite am 30.12.1999 (ARK) |
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Verträge zur Sicherung der ÖPNV-QualitätWir können davon ausgehen, daß der ÖPNV sinnvoll und notwendig ist und daß es daher eine wichtige politische Aufgabe auf den verschiedenen Ebenen (Gemeinde, Land, Bund, EU) darstellt, für eine möglichst optimale Organisation zu sorgen. Es wird praktisch immer ein hoher Zuschußbedarf für den ÖPNV bestehen und es werden deshalb die öffentlichen Hände gefordert sein. Die folgenden Überlegungen, die in einem Arbeitskreis des Ökosozialen Forums Wien unter Beteiligung von Vertretern von FAHRGAST erarbeitet wurden, setzen all dies voraus und beschäftigen sich mit der Frage, wie Qualität und Kosteneffizienz im ÖPNV bestmöglich zu verbinden wären. Schwerpunkt der Überlegungen war dabei die Situation in Wien, wo durch die Errichtung der Wiener Linien in gesellschaftsrechtlicher Form ohnehin Handlungsbedarf besteht. GrundsätzlichesWir haben daher angenommen, daß Verkehrsdienstleistungen im ÖPNV künftig nicht mehr von Gebietskörperschaften selbst erbracht werden, sondern daß statt dessen vertragliche Regelungen zwischen den Gebietskörperschaften (ggf. vertreten durch Verkehrsverbünde) und den Verkehrsunternehmen getroffen werden. Dafür sprechen nicht nur grundsätzliche Überlegungen (Gefahr der tendenziell geringen Effizienz von staatlicher Dienstleistungserbringung, Frage der Kontrollmöglichkeiten für die politisch Verantwortlichen, etc.) sondern auch die Entwicklung im normativen Bereich, stark angestoßen durch grundlegende Strategien der EU. In der Folge haben wir versucht, die Verantwortlichkeiten (Gebietskörperschaft oder Verkehrsunternehmen) für die verschiedenen Aspekte des ÖPNV zuzuordnen und auch die grundsätzlichen Regelungsmechanismen bzw. Eckpunkte in künftigen vertraglichen Vereinbarungen anzudeuten. Der politische Prozess der Entscheidungsfindung wurde hier nicht angesprochen, wohl aber ist klar, daß Voraussetzung für
Das heißt konkret, daß in Wien Funktionen, die bisher von den Wiener Linien wahrgenommen wurden, durch die Stadt selbst zu übernehmen sind. Zu den einzelnen Bereichen:
Dies scheint für die Busse klar zu sein. Bei den Schienenfahrzeugen klafft die Abschreibungsdauer (z.B. 25 Jahre) und eine vernünftige Dienstleisungsvertragsdauer (z.B. 5 bis 10 Jahre) auseinander. Daher wäre es hier denkbar, nach englischem Vorbild bei den Eisenbahnen "Rolling Stock Companies" mit der Beschaffung zu beauftragen, die dann die Fahrzeuge an die Betreiber verleasen. Allerdings zeigen gerade die englischen Erfahrungen, daß ein Teil der Optimierungen, die Betreiber zu erreichen suchen, über spezifische Gestaltungen des eigenen Fahrzeugsparks erfolgen. Wollte man dies akzeptieren (was wahrscheinlich mit der Entscheidung über die Frage der Fahrkarten-Verkaufserlöse zusammenhängt, siehe unten), wäre durch entsprechende Vorgaben die Interoperabilität der Fahrzeuge sicherzustellen, um Fehlinvestitionen bzw. Erpressungspotentiale zu vermeiden. Der Fahrbetrieb ist zweifelsfrei Aufgabe der Verkehrsdienstleister, vertragliche Vorgaben müssen z. B. für Instandhaltung (auch Sitzüberzüge!), Reinigung innen/außen, richtige Beschriftung, Information, Fahrweise (Beschleunigung, Lärm, Berücksichtigung zulaufender Fahrgäste, etc.) erfolgen. Ähnliches gilt für den Betrieb von Stationen (Besetzung, Überwachung, Kommunikationsmöglichkeiten, Sauberkeit): Zuständig sind die Verkehrsunternehmen, Vorgaben und Kontrolle erfolgen durch die öffentliche Hand.
Vertraglich sind die Verkehrsunternehmen zu einem internen Qualitätsmanagement (inklusive Benchmarking) zu verpflichten. Extern sind dazu von den öffentlichen Auftraggebern Kontrollerhebungen durchzuführen. Dies betrifft insbesondere auch "weiche Faktoren" wie kundenorientiertes Verhalten des Personals.
Diese politische Vorentscheidung ist auch essentiell für die Tarifierung. Zu klären ist, ob grundsätzlich Verkehrsunternehmen nur vom Verkehrsverbund bezahlt fahren (offene Frage dabei: können "Erfolgskomponenten" in der Bezahlung gesichert werden?), oder ob die Verkehrsunternehmen selbst Einnahmen erzielen und so ein stärkeres Interesse am Fahrgastaufkommen haben sollen (offene Frage: technische Lösung für wechselseitige Verrechnungen in einem Verbundbereich?). Natürlich kann auch mit einem derartigen System alleine noch nicht der Marktanteil des ÖPNV erhöht werden. Aber es kann eher sichergestellt werden, daß die tatsächlich entscheidenden Maßnahmen bei der Regulierung des MIV, wenn sie gesetzt werden, die Fahrgäste in attraktivere Angebote des ÖPNV führen. Selbstverständlich kann der hohe staatliche finanzielle Aufwand für den ÖPNV mit einem derartigen Vertragssystem nicht wegfallen - im Gegenteil: wenn der ÖPNV attraktiv sein soll, sind von den Gebietskörperschaften entsprechende Fahrpläne und Routen zu beauftragen - aber die finanzielle Belastung kann in definierter Höhe limitiert werden, bzw. es sind potentiell auch wettbewerbliche Verfahren bei der Beauftragung der Dienstleister möglich, die tatsächlich zu gewissen Kostenreduktionen führen können. Und das ist es, was die Fahrgäste wollen: Gesicherte Qualität bei limitierter Belastung - sei es aus den Fahrpreisen oder als Steuerzahler. ZieleEs wurde sohin der Entwurf einer Punktation für die politisch Verantwortlichen zur vertraglichen Regelung der öffentlichen Verkehrsdienstleistung erarbeitet: Ausgangspunkt der nachfolgenden Als Übergangslösung für viele Zielsetzungen, die verstärkter Untersuchungen oder intensiverer politischer Meinungsbildung bedürfen, könnte jeweils vom Ist-Zustand ausgegangen und für eine erste Periode gewisse Verbesserungen vereinbart werden. Für die Folgeperiode sollten bereits solidere Grundlagen vorliegen. Georg Pammer |
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Verantwortlichkeit | Verkehrsunternehmen | Gebietskörperschaft | Anmerkung |
---|---|---|---|
Netz (Linienverlauf, Haltstellen) | Bloße Konsultation | Gesamte Festlegung und Vorgabe durch Gebietskörperschaft | |
Fahrplan (Intervalle und Fahrzeiten) | Bloße Konsultation | Gesamte Festlegung und Vorgabe durch Gebietskörperschaft | Rückkopplung: bei Fahrgastzuwachs/-abnahme: Intervallverdichtung/-verdünnung, Vertragsanpassung |
Überfüllung | Ausreichende Fahrzeuggrößen, um alle Fahrgäste transportieren zu können | Vorgabe von Passagierzahlen (Tagesverteilung) und einer Auslastungsquote | Rückkopplung: bei Fahrgastzuwachs/-abnahme: andere Fahrzeuggrößen, Vertragsanpassung |
Errichtung von Verkehrsanlagen (U-Bahnen, Straßenbahnen, Stationseinrichtungen, Haltestellen) | Bloße Konsultation | Direkt (oder beauftragt) durch Gebietskörperschaft | |
Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit | Vermeidung interner Störungen, Fähigkeit zur Verarbeitung externer Störungen | Vorgabe / Kontrolle von Mindeststandards, Sicherung der Verkehrsflüssigkeit | Rückkopplung: bei vermehrtem Stau Erhöhung der Fahrzeuganzahl zur Intervallsicherung, Vertragsanpassung |
Fahrzeuge (Fahrzeugtyp , Sauberkeit, Erhaltungszustand, Beschilderung) | Beschaffung (Ausnahme Bahnen?) und Betrieb | Vorgabe / Kontrolle von Mindeststandards, ggf. auch Vorgabe von Standards zur Interoperabilität | |
Betrieb der Stationen (Helligkeit, Sauberkeit, Informationen, Überwachung) | Direkt oder indirekt durch Verkehrsunternehmen | Vorgabe / Kontrolle von Mindeststandards | |
Ticketverkauf (Zahl, Art der Verkaufsstellen, Öffnungszeiten) | Direkt oder indirekt durch Verkehrsunternehmen | Vorgabe / Kontrolle von Mindeststandards | |
Erhebung der Kundenzufriedenheit (z.B. Verhalten des Personals) | Verpflichtung zu internem Qualitätsmanagement (QM) | Externe (Kontroll-)erhebungen | |
Qualität des Fahrverhaltens | Verpflichtung zu internem QM | Externe Expertenkontrollen | |
Information | Fahrzielanzeige, Fahrplanaushänge | Vorgabe / Kontrolle von Mindeststandards | |
Benchmarking | Vorgabe / Kontrolle von Mindeststandards | ||
Tarife | Jedenfalls abgestimmte Tarifstruktur; zu klären ist , ob grundsätzlich Tarifeinnahmen nur durch den Verkehrsverbund erfolgen sollen und alle Verkehrsunternehmen nur beauftragt und vom Verkehrsverbund bezahlt fahren oder ob die Verkehrsunternehmen selbst Einnahmen erzielen |