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FAHRGAST - Die Zeitung
Ausgabe 4/99 - Dezember 1999
www.fahrgast.at/z99-4-3.htm - Letzte Änderung dieser Seite am 4.4.2000 (ARK)
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Briefe an FAHRGAST

ÖV einmal positiv
Das Wort "Öffi"
Linz gibt's nicht
Verbesserungen beim Umsteigen
Schutzwände gegen Eisenbahnlärm
"Jetzt reicht's" !
 

ÖV einmal positiv

Mir ist wichtig, dass die Zeitung bezüglich der Stellung zur Realität des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) nicht nur einen Negativ-Touch vermittelt (was mir manchmal etwas zu gewichtig ist), sondern auch viele positive Beispiele aus dem eigenen Lebensraum vermittelt. Ich meine dies deshalb, weil zwar wir als Insider kritisch zu sein haben und wir das auch aushalten, aber diejenigen, die nicht so sehr Insider sind und die wir ja auch als LeserInnen haben wollen, Gefahr laufen, von vornherein ein gestörtes Verhältnis zum ÖV zu haben ("Ich hab's ja immer gesagt ...").

Ich erlaube mir, meine beiden persönlichen Schwerpunkte festzuhalten, die ich für den ÖV sehe. Das Ganze steht unter dem Motto "Qualität". Ich teile sie in eine objektive und eine subjektive Qualität.

Objektiv tragen zur Qualität vor allem die integrierten Taktverkehre bei. Es müsste langfristiges Ziel sein, auf allen Strecken außerhalb der Stadt- und Ortsverkehre einen Zweistundentakt (im dünneren Gebiet) bzw. Einstundentakt (im dichteren Gebiet) zu erreichen. Das kann natürlich bei Bedarf jeweils unterteilt werden. Auch sollen die auf Arbeit und Schule abgestimmten Kurse, wenn nötig, außerhalb des Taktes weiterhin geführt werden. Wochenenden dürfen dabei nicht vergessen werden!

Subjektiv muss das Schlagwort Information heißen! Wir dürfen den Großteil der Bevölkerung, was die Information betrifft, nicht überschätzen: Die Vorstellungen über Linienführungen, Tarife oder Fahrpläne ist oft abenteuerlich, und zwar in den meisten Fällen abenteuerlich negativ. Und aus Ärger darüber (der oft gar nicht begründet ist!) oder aus Angst, weil ich mich nicht auskenne, wähle ich nicht den ÖV.

Die Information ist zielgruppenorientiert zu gestalten: als Datenbank, wie es jetzt dankenswerterweise der VOR und die VVNB im Internet anbieten; aber auch viel mehr als regionale Hauswurfsendungen, die sich nicht so sehr am Betrieb der Verkehrsunternehmen, sondern am alltäglichen Bedarf zu orientieren haben. Eine von vielen gelungenen Initiativen ist ein kleines Heftchen des Vereines Himberg mobil, das an alle Himberger Haushalte verschickt wird und auch in öffentlichen Betrieben aufliegt. Dafür müsste ein Teil des Verkehrsbudgets herangezogen werden.

Die Veranstalter müssten verpflichtet werden, entweder generell ÖV-gültige Eintrittskarten auszugeben (wie dies in Wien schon zum Teil der Fall ist und gerade im ersten Bezirk flächendeckend diskutiert wird) oder zumindest in ihre Programme einen brauchbaren Fahrplanauszug zu drucken (z.B. wann geht die letzte Verbindung zurück?) und natürlich ihre Beginn- und Endzeiten auch nach den Verkehrsverbindungen auszurichten. Tourismus und ÖV müssten so weit wie möglich regional zusammenarbeiten. Die ÖBB-Regionalzentren sind dafür jedenfalls geeignet.

Besonders ärgern mich die wunderschönen touristischen Prospekte, die alle Straßenverbindungen skizziert enthalten, aber kein Wort von einer öffentlichen Verbindung in den Mund (= aufs Papier) nehmen, sogar wenn diese sehr attraktiv ist. Entsprechende Bedingungen müssten an die Druckkostenzuschüsse gebunden werden.

Ja, und die ÖV-Nachrichten im Radio und Fernsehen sind praktisch nicht vorhanden. Während früher die ÖBB eine zwar zur Unzeit, aber immerhin feststehend vorhandene kurze Sendezeit hatte, zu der sie auch bestimmte attraktive Angebote bewerben konnte, hat sich das in den Landesstudios auf kurze Verspätungsmeldungen (mit teilweise falschen Informationen durch die uninformierten Sprecher) zu "fließenden" und nicht fixen Uhrzeiten reduziert. Hier gehört dringend etwas getan. Schließlich kann man ja jede Stunde unter "Verkehrs-Meldungen"(!) Staus oder Unfälle auf Autobahnen und Straßen erfahren. Wenn schon das, so doch gleich danach eine positive Eisenbahnmeldung, um die Leute von den unattraktiven Straßenverbindungen wegzubekommen und objektiv (siehe oben) gute Angebote auch zu subjektiv guten zu machen.

Zum Schmunzeln oder eher Weinen ein Beispiel aus dem Landesstudio Wien vor einigen Monaten: "Die Autobuslinie 64A hat in der Brünner (!) Straße eine Umleitung ...". Was aber macht denn der 64A in Floridsdorf? Ja, die Brunner Straße ohne Umlaut kannte der liebe Sprecher eben nicht ...

Unser Ministerium (ich arbeite im BM für Wissenschaft und Verkehr, allerdings im Hochschulteil) hat übrigens sehr gute Aktionen in unserem Sinne, die auch beworben werden sollten und der Homepage  www.bmv.gv.at zu entnehmen sind. Vor allem die Aktion MOVE ist einer eingehenden Betrachtung wert.

Zum Abschluss ein Positiv-Beispiel, wie es relativ häufig vorkommt und leider oft zu selbstverständlich genommen wird:

Wir (unsere Familie = 2 Ewachsene und 2 Kinder) haben einen Zweitwohnsitz in Klein Schweinbarth, Gemeinde Drasenhofen, im nördlichsten Weinviertel, also an der ehemaligen toten Grenze. Das kleine Dörfchen wird an Mo-Fr 8x, an Sa 6x, an SoF 3x vom Postbus angefahren, teilweise sogar die Ortsmitte mit Umkehr des Busses. Der Fahrplan beruht bis zum Samstag Nachmittag auf einem ungefähren Zweistundentakt, wobei knotenmäßige Verknüpfungen von Wien über Mistelbach (Schnellbahn) und Poysdorf bestehen. Durch den Pool einiger doppelt verlaufender Linien und garantierten Umsteigeanschlüssen wird das Gebiet nördlich von Mistelbach relativ effektiv erschlossen. Der Fahrplan weist relativ große Reserven auf, was aber in Kenntnis vieler Unzulänglichkeiten auf der Brünner Straße notwendig ist und in solchen Fällen geschätzt wird, andernfalls zu Aufenthalten von einigen Minuten an den Knoten führt.

Freilich liegen auch hier noch einige Wünsche brach, aber es lässt sich trotz weiter Entferung und dünn besiedelten Landes gut zur Arbeit und auch in den Urlaub fahren. Man muss sich vorstellen, dass man - auch am Sonntag Abend! - vom nördlichsten Weinviertel im Takt jeweils mit unmittelbaren Anschlüssen über Poysdorf, Mistelbach, Wien, Baden, Wiener Neustadt bis nach Gutenstein, Aspang oder sogar Deutschkreuz oder Sopron fahren könnte! Und ich denke, dass man sich den Problemen auf diese positive Weise nähern und sie so propagieren sollte.

Heinz Kasparovsky, 1130 Wien

 

Das Wort "Öffi"

Ich protestiere gegen den Begriff "Öffis" und "Öffi-Benützer". Kaum hat eine dumme Neuschöpfung Eingang in die Zeitungen gefunden, schon glaubt sie auch FAHRGAST übernehmen zu müssen.

Denn "Öffi" ist eine Schöpfung im Stile der Babysprache. Das passt zum Verständnis der Journalisten von Öffentlichem Verkehr: für Kinder, körperlich und geistig Behinderte und Armutschkerln - also alle, die sich kein Auto leisten können oder unfähig sind, eines zu lenken; denn der/die ordentliche Österreicher/in fährt eben mit dem Auto.

Gerade von der Fahrgast-Vertretung habe ich nicht erwartet, dass sie die Fahrgäste als lallende Kleinkinder anspricht, sondern diese Neuschöpfung kritisch hinterfragt. Über Autos wird ja auch nicht von "Autis" gesprochen. Ich sehe nicht ein, warum ich mich als ÖV-Benützer verunglimpfen lassen soll.

Oder ist Österreich vom Verblödungs-Virus schon generell infiziert, dass alle nur mehr wie Kleinkinder daherreden und es gar nicht mehr merken?

Walter Kühner, 1180 Wien

 

Linz gibt's nicht

Unlängst benötigte ich die Daten der Busverbindung von Linz (Hauptbahnhof) nach Gallneukirchen (nördlich von Linz). Also ging ich frohen Mutes zum Bus-Terminal am Bahnhof Wien-Mitte und dort zum ersten Auskunfts-/Fahrkartenschalter.

Auf meine Frage ergriff der nette Mann hinter der Glasscheibe den obersten Fahrplan, der in seiner Nähe lag (auf einem Stapel mit etwa zehn je 3 cm dicken Büchern) und blätterte. Nach ca. 2 Minuten fand er offenbar das Inhaltsverzeichnis und erkannte, dass Linz oder Gallneukirchen nicht existierte.

Todesmutig beharrte ich auf der anderen Scheibenseite und erklärte eidesstattlich, dass beide Ortschaften sehr wohl existierten und auch eine Busverbindung, die ich zuletzt vor einigen Jahren benützt hatte. Darauf griff er zum nächsten Buch und schaute gleich ins Inhaltsverzeichnis und beharrte auf seiner Meinung. Ich beharre weiterhin, und erkenne, dass er gerade das Fahrplanbuch für Niederösterreich / Nord in den Händen hält...

Ich versuche es ein letztes Mal, und präzisiere, dass sowohl Linz (inclusive Hauptbahnhof) als auch Gallneukirchen in Oberösterreich wären. Kaum 5 Minuten später hatte ich die gewünschte Auskunft. Selten so gelacht...

Günter Theml, 1060 Wien

 

Verbesserungen beim Umsteigen

FAHRGAST sollte sich mehr um die Bequemlichkeit des Umsteigens kümmern:

Umsteigen Heiligenstadt

Wenn man in Heiligenstadt von der U4-Endstelle bis zur Einsteigstelle des Regionalbusses nach Maria Gugging wegen der (unnötig) langen Fußwegstrecke fast ein Leihrad benötigt, so ist das für Gelegenheits-ÖV-BenutzerInnen (wenn's Auto einmal streikt) kein Anreiz, auf das eigene Auto dauernd zu verzichten. Es wäre sicher sinnvoller gewesen, statt der kostspieligen Wendeanlage (die in erster Linie der Bequemlichkeit der U-Bahnbediensteten dienen wird und nicht den Fahrgästen) die Bushaltestelle der Wr. Linien und Dr. Richard/Zuklin unter die ÖBB- und U-Bahngleise zu verlegen, was mit einigem guten Willen durchaus machbar wäre.

Aber die Wiener U-Bahnarchitekten lassen ja keine Möglichkeit aus, um das Umsteigen möglichst kompliziert zu gestalten: Die Endstelle der U6 Floridsdorf wurde sogar absichtlich (unter Inkaufnahme einer Gefällestrecke!) unter die Erde verlegt, um ja kein niveaugleiches Umsteigen (mit Sichtanschlüssen) zu Bussen oder der S-Bahn zu ermöglichen.

Umsteigen Schwedenplatz

Bei der U-Bahnstation Schwedenplatz mussten die U-Bahn-Architekten natürlich einen Kniefall vor dem 4- oder 5-spurigen Franz-Josefs-Kai machen, sodass auch hier die Erreichbarkeit der U4 unnötig erschwert wird (keine durchgehenden Aufzüge zwischen U4 und U1!).

Umsteigen Klosterneuburg

Aber nicht nur in Wien wird Unfug getrieben: Statt in Klosterneuburg / Niedermarkt die Busse zum REHAB Weißer Hof, Ma. Gugging und Höflein direkt vom Bahnsteig abfahren zu lassen (wie das in früheren, besseren Zeiten der Fall war) muss man von der Bahn kommend eine stark frequentierte Bundesstraße überqueren. Obwohl vor wenigen Wochen die Gleisverbindung zwischen Nußdorfer Straße und Heiligenstadt dauerhaft unterbrochen worden ist, bilden sich hochrangige Klosterneuburger Politiker ein, die Leute mit der Vision "Tramtrain" (gemeint ist die leider nicht machbare und auch nicht notwendige Verlängerung der U6) für dumm verkaufen zu können!

Es ist zwar sehr gut, dass Fahrgast für lange Linien eintritt (Stichwort J und 71!), Umsteigen wird aber auch in einem hochgradig optimierten ÖV-System erforderlich sein, natürlich unter Einschluss von Taxiverbindungen, dort, wo es sinnvoll erscheint.

GR Friedrich Dobretsberger, Klosterneuburg

 

Schutzwände gegen Eisenbahnlärm

ORF ON - Österreich, 16. Nov. 1999:
"Lärmgeplagte Anrainer in Neufeld und Bruckneudorf entlang der Bahngleise können bald aufatmen. Die ÖBB und die Raaberbahn werden im verbauten Ortsgebiet Lärmschutzwände errichten. Das Projekt ist derzeit noch in Planung, Ende 2000 soll mit dem Bau begonnen werden.

90 Züge rattern täglich durch das Ortsgebiet von Neufeld. In Bruckneudorf sind es gar bis zu 240 Züge pro Tag. Kein Wunder, dass die Anrainer schon seit Jahren Lärmschutzwände fordern. In Neufeld hat sich sogar eine Bürgerinitiative formiert. Nun werden die Forderungen endlich erfüllt; um insgesamt 25 Millionen Schilling erhalten beide Gemeinden Lärmschutzwände.

Mit Planung und Bau wurde in Neufeld die Raab-Ödenburg-Ebenfurter Eisenbahn beauftragt, in Bruckneudorf sind die ÖBB zuständig. In einem Jahr soll mit dem Bau begonnen werden, im Frühjahr 2001 sollen die Wände fertiggestellt sein, meint der zuständige Landesrat Gabriel Wagner. Wie die Lärmschutzwände genau aussehen werden, ist noch unklar. Vorraussichtlich werden sie zwei bis drei Meter hoch und aus Holz sein.

Fix ist die Finanzierung des Projekts. Die Hälfte der Kosten (12,5 Millionen Schilling) trägt der Bund, je 3,5 Millionen Schilling müssen die Gemeinden aufbringen, den Rest übernehmen Land und EU. Ab 2002 können zwei weitere lärmgeplagte Gemeinden mit Schutzwänden rechnen, nämlich Nickelsdorf und Draßburg."

Günther Nenning schrieb einmal sinngemäß: das Schlimme ist, dass der Staat nicht zuwenig, sondern zuviel Geld hat. Hätte er zuwenig Geld, würde er die Mittel überlegter einsetzen. Auf einer mäßig befahrenenen eingleisigen Strecke wie der Raaberbahn Lärmschutzwände zu errichten ist eine Narretei.

Von wegen 90 Züge pro Tag, die durch Neufeld an der Leitha angeblich "donnern". Von "Donnern" kann bei den dortigen Geschwindigkeiten keine Rede sein, jedenfalls nicht bei den Reisezügen, eventuell bei den Güterzügen. 90 Züge pro Tag sind mir als Nachbarschaft jedenfalls lieber als 9000 PKW pro Tag! Die Burschen können alle nicht rechnen: 90 Züge pro Tag bedeuten maximal 90 Minuten Lärm und 22 1/2 Stunden absoluten Nichtlärm - auf jeder Dorfstraße gibt es mehr Krach.

Zweitens: haben die alle keine Fenster? Ich bin selbst Bahnanrainer in ca. 80 Meter Abstand. Habe, als ich hier eingezogen bin, keine Bürgerinitiative gegründet und kein Gleis besetzt, sondern mir zu einem sehr geringen Mehrpreis dreifachverglaste Fenster gekauft. Der Erfolg: Reisezüge hört man überhaupt nicht, Güterzüge ein wenig, wenn es rundum ganz ruhig ist (kein Gespräch). Habe immer gehofft, dass sich wenigstens die Raaberbahn diesen Unfug nicht aufzwingen lässt - leider vergebens. Verbürgt sind durch einen Mitreisenden allerdings lautstarke Unmutsäußerungen (so laut, dass es jeder hören konnte und sollte) eines Machers der Raaberbahn, der sinngemäß zürnte: "Tepperte Häuslbauer: erst neben die Bahn Häuser bauen und dann schreien. Sind ausserdem eh fast alles nur Wiener, die nur am Wochenende da sind." Zu Bruckneudorf: dort bauen sie gerade eine Siedlung neben Bundesstraße 10 und den Güterbahnhof.

Ich sehe als Steuerzahler und Fahrgast nicht im geringsten ein, dass der Staat (und letztlich der Fahrgast) den Zuzüglern dort Lärmschutzwände bauen soll - die sollen sie sich gefälligst selber zahlen. Dann würden sie sehr plötzlich keinen Lärm mehr hören.

R. W. 1140 Wien

 

"Jetzt reicht's" !

Zufällig kam mir heute eine Ausgabe des Kurier in die Hände. Darin steht in einem großen Artikel, dass der ÖAMTC eine Aktion mit dem Namen "Jetzt reicht´s" starten will. Die Autofahrer sollen aufgehetzt werden, damit für angeblich längst fällige Straßenbauvorhaben Druck gemacht wird.

Man bekommt den Eindruck, dass alles nur vom Auto abhängig wäre. Was wieder einmal vom ÖAMTC gefordert wird, ist der Autobahnring rund um Wien. Warum wird in Wien und Umgebung nicht zuerst der Öffentliche Verkehr soweit "saniert", dass man locker ohne Auto überall hinkommt? Im erwähnten Artikel steht zwar, dass die Neuzulassungen steigen, aber es wird weder kritisiert noch hinterfragt, ob das überhaupt notwendig ist, oder ob man vielleicht sogar etwas dagegen tun könnte.

Dazu sage ich: Mir reicht es auch. Und zwar schon lange! Ich habe kein Auto (aber schon lange einen Führerschein), lebe in Wien, und bin außer zu Fuß und manchmal mit dem Fahrrad oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Und ich bin einem grenzenlosen Terror von rücksichtslosen Autofahrern ausgeliefert, welche sich einen Dreck um öffentliche Verkehrsmittel, Radfahrer oder Fußgänger scheren.

Darum frage ich mich, wo der Proteststurm der gequälten Menschen bleibt, welche - egal aus welchem Grund auch immer - kein Auto benutzen, aber auf jeden Schritt und Tritt mit diesen hässlichen Schrotthaufen konfrontiert werden? Es werden täglich unzählige Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung begangen, aber man sieht kaum Polizisten, welche strafen. Ecken werden einfach verparkt, markierte Fußgängerübergänge missachtet (oft hatte ich fast schon tätliche Auseinandersetzungen mit Autofahrern, die mich zwingen wollten zu warten), Straßenbahnhaltestellen ignoriert, usw. Angesichts dieser Entwicklung spreche ich den Autofahrern das Recht ab, sich über irgendwas zu beschweren.

Die Hauptschuldigen sind die Politiker, insbesondere jene der "Umweltmusterstadt" (welch ein Hohn!) Wien, Herr Görg (der gegen den Willen vieler Bürger und Bürgerinnen den Ausbau der B3 erzwungen hat, dafür aber den Neubau von Straßenbahnlinien wie 27 und 28 gleich als unnötig abgetan hat), Frau Ederer (die jeden - auch noch so bescheidenen - Wunsch nach Verbesserungen bei den Wiener Linien mit dem Standardargument "kein Geld dafür da" im Keim erstickt), Herr Hatzl (der in seiner Zeit als Verkehrsstadtrat sehr aktiv an der Verschlechterung des öffentlichen Verkehrssystems mitgewirkt hat, dessen Folgen gerade heute schmerzlich spürbar sind), Herr Svihalek (der als Umweltstadtrat sogar eine Autobahn durch die Lobau bauen lassen will, und auch gegen jede Verbesserung im öffentlichen Raum kämpft, auch wenn es noch so geringe Auswirkungen auf die armen Autofahrer hat), und Herr Häupl (der zwar immer gerne viel redet, aber so gut wie gar nichts macht; im Gegenteil, für ihn ist es sogar eine Demütigung, dass die Wiener Linien jetzt auch am Vormittag des 1. Mai Normalbetrieb haben).

Auch Herr Pröll soll nicht unerwähnt bleiben. Gerade durch die Straßenbaupläne in Niederösterreich wird nicht nur mehr Autoverkehr nach Wien kommen, auch die Umfahrungen, und damit auch die unselige Lobauquerung, werden damit kommen. Er bekämpft zwar den Semmering-Bahntunnel, dass aber wegen der neuen Schnellstraße dort mehrere Löcher in den Berg gebohrt werden, ist anscheinend in Ordnung. Noch dazu, wo dann der zu erwartende Autoverkehr die Gegend nachhaltig zerstört (Lärm, Abgase usw.).

Ich bin nicht um jeden Preis gegen Autoverkehr und Straßenausbau; aber da noch sehr viel Reserven im öffentlichen Verkehr stecken, gehört zuerst dieses System, soweit es eben nur geht, ausgebaut. Ich sehe nicht ein, dass ich, und damit alle anderen auch, in einem Hexenkessel aus Beton und Blech leben müssen und noch dazu von einer nicht einmal sehr großen Anzahl von Autofahrern täglich gefährdet werden, welche glauben, immer im Recht zu sein. Besonders jene Menschen müssen leiden, die keine andere Wahl haben als öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, da das Angebot laufend schlechter wird. Und diese Menschen zahlen auch Steuer, und oft nicht wenig. Nur weil sie kein Auto benutzen haben sie gleich weniger Rechte?

Hier haben die verantwortlichen Politiker wieder einmal versagt!

Jiri Zajicek, 1230 Wien

Foto Wörterbuch: ÖBV
Foto Bf. Floridsdorf: metroPlanet by Robert Schwandl.
Foto Güterzug: GySEV
Grafik "Jetzt reicht´s": ÖAMTC


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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