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FAHRGAST - Die Zeitung
Ausgabe 2/2001 - Juni 2001
www.fahrgast.at/z01-2-1.htm - Letzte Änderung dieser Seite am 17.7.2001 (ARK)
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Fernreisen

Hat die Bahn den Kampf verloren?
Teil 1

Die Zahl der Bahnreisenden auf Fernstrecken geht seit vielen Jahren stetig zurück, internationale Verbindungen werden ausgedünnt oder fallen ganz weg und es ist auch keine Umkehr festzustellen.

Verschiedene Gründe haben zu dieser Entwicklung beigetragen:

  • In einer Gesellschaft, in der die Zeit zum wichtigsten Kriterium geworden ist, kann die Bahn auf Strecken ab ungefähr 800 km mit dem Flugzeug nicht mehr konkurrieren.
  • Die krasse Bevorzugung des Flugverkehrs (steuerfreies Flugbenzin, keine Mehrwertsteuer auf Flugtickets während die Bahn Energie- und sogar Mineralölsteuer zahlen muss) hat zu einem Preisdumping geführt, dem die Bahn nicht standhalten kann. Wenn bei einer Autofahrt als Gesamtkosten ausschließlich der Preis des verbrauchten Treibstoffes gerechnet wird, hat auch hier die Bahn keine Chance.
  • Das komplizierte Fahrkarten- und Tarifsystem bei grenzüberschreitenden Fahrten trägt zum schlechten Image bei.
  • Für Gruppenreisen hat sich die Fahrt im Reisebus etabliert.
  • Das verstärkte gesellschaftliche Bedürfnis, den Urlaub am Strand zu verbringen, fördert der Bequemlichkeit halber sowohl die Benützung des eigenen Autos als auch des Flugverkehrs.
  • Im Gegensatz zu anderen Beförderungsmitteln wurden (und werden) Bahnreisen in der Werbung nie so vermarktet, dass die Leute im Bahnfahren eine echte Alternative sehen.
  • Der Service beim Bahnfahren läßt im Vergleich mit anderen Beförderungsmitteln sehr zu wünschen übrig.

 Grafik: Georg Kupf 
Die ÖBB erproben
Alternativen zur Schiene...
 

Hochgeschwindigkeit

Der Hochgeschwindigkeitsverkehr ist momentan der einzig gewinnbringende Bahnverkehr. Auf Strecken bis zu 1000 km kann durch den Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen eine echte Alternative zum Flugzeug geschaffen werden. Der Marktanteil gegenüber dem Flugzeug beträgt bei Fahrzeiten bis zu 2:30 ca. 85 %, bis zu 3 Stunden 60 %, und selbst bei 5 Stunden noch immer 20 - 30 %.

Auch gegenüber dem Autoverkehr werden Anteile zurückgewonnen. Zum Beispiel hat die Bahn nach einem viergleisigen Ausbau der Westbahnstrecke und einer Fahrzeit Wien - Salzburg von 2 Stunden deutliche Vorteile gegenüber dem Auto. Auf der Strecke Paris - Brüssel nahm nach Einführung der Thalys-Verbindung der Autoverkehr von 63 % auf 44 % ab, während die Anzahl der Zugpassagiere von 24 % auf 49 % zunahm (bezogen auf das Gesamtverkehrsaufkommen).

Beim Vergleich mit dem Flugzeug auf der Strecke Madrid - Sevilla stiegen die Passagierzahlen nach Inbetriebnahme des Talgo gar von 33 % auf 82 %, während der Flugverkehr von 67 % auf 18 % zurückging.

Generelle Verbesserungen des Zugservice

Es muss gelingen, die Bahn als Reisemedium wieder attraktiver zu machen, sonst ist - abgesehen von den Hochgeschwindigkeitsstrecken - der Kampf endgültig verloren. Wie könnte das allgemein bewerkstelligt werden? Der Kunde ist König, lautet eine Volksweisheit und wird auch in der Werbung so gehandhabt. Nur bei der Bahn will das nicht so recht klappen. Das liegt zum einen daran, dass die Mitarbeiter von Werbeagenturen meist kaum mehr einen direkten Bezug zur Bahn haben. Entsprechend sehen dann ihre Werbebotschaften aus.

Aber was ist mit den Auftraggebern? Nun, die Leute in den Chefetagen der Bahngesellschaften kommen ebenfalls meist nicht aus dem Bahnbetrieb. Das kann man gut daran erkennen, dass sie selbst nie in Zügen anzutreffen sind; sie reisen zu Tagungen und Kongressen mit dem Flugzeug oder benützen einen Dienstwagen mit Chauffeur. Wie symbolträchtig war es zum Beispiel, im Fernsehen mit ansehen zu müssen, dass der oberste Chef der DB vor laufender Kamera nicht imstande war aus einem Fahrkartenautomaten, den die Bahn in einer Werbekampagne groß anpries, eine entsprechende Fahrkarte zu erhalten. Dieser Mann ist keine Ausnahme.

Es scheint, als müssten sich die Fahrgastverbände selbst um diese Angelegenheiten kümmern. Auch der Fernverkehr (und nicht nur der Nahverkehr) müsste zu den gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Bahn gezählt werden und wenn schon nicht mittels Subventionen, so doch wenigstens durch Schaffung eines politisch bahnfreundlichen Klimas unterstützt werden.

Bahnhöfe

Wie könnte das Service und damit das Image der Bahn verbessert werden? Eine Zugreise beginnt meist im Bahnhof. Vergleicht man diesen mit einem Flughafen, so fällt auf, dass Bahnhöfe deutlich "schmuddeliger" sind. Das hat mehrere Gründe: Ein Flughafen befindet sich meist weit außerhalb der Stadt, ist speziell auf eine Zielgruppe ausgerichtet und auch noch entsprechend bewacht. Ein Bahnhof liegt zumeist im Herzen einer Stadt und wird von verschiedensten Interessensgruppen besucht, was auch gut ist für das gesellschaftsschichtenübergreifende Image der Bahn.

Wenn es gelingt, Bahnhöfe vom Erscheinungsbild freundlicher zu gestalten und zu wirklichen Service- und Informationszentren umzufunktionieren, verbunden mit entsprechenden Einkaufs- und Shopping-angeboten, Hotels, Cafes, Restaurants, Geschäfts- und Veranstaltungszentren, kann das Image der Bahn schon dadurch verbessert werden und viele Leute neugierig auf die Bahn gemacht werden.

Züge

Wie kann das Service in den Zügen selbst verbessert werden? Die meisten Waggons gleichen in ihrer Gestaltung noch denen aus der Entstehungszeit der Bahn: Abteile mit sechs Plätzen in einem Waggon mit zehn Abteilen. Geht man durch so einen Zug und blickt in die Abteile, so erkennt man leicht die Wünsche und Bedürfnisse der Fahrgäste. Da gibt es Abteile mit zugezogenen Vorhängen. Offensichtlich ist ein Wunsch nach mehr Privatsphäre vorhanden. Da dies in Flugzeug oder Autobus kaum möglich ist, könnte sich die Bahn dies zu eigen machen.

Geht man weiter durch den Zug, so sieht man in etlichen Abteilen Fahrgäste in den unmöglichsten Körperstellungen schlafen, denn die Abteile sind eben nicht zum Schlafen gebaut. Auch diesen Leuten hätte die Bahn mehr zu bieten als Flugzeug, Auto oder Bus. Dann findet man Abteile mit Familien, in dem die Kinder herumtollen, die Mutter eine Geschichte erzählt oder ihr Baby wickelt. Die Bahn bietet sich in so einem Fall mit ihren Möglichkeiten geradezu auf. Jedoch müsste auch verstärkt ein entsprechender Service angeboten werden.

Und dann gibt es noch Leute, die etwas unter vier Augen besprechen oder sich zurückziehen wollen. Hier hat das Flugzeug mit seinem beträchtlichen Lärm während des Fluges den Vorteil mit seinem Nachbarn, aber eben nur mit diesem, etwas Vertrauliches diskutieren zu können. Die Bahn könnte in einem Abteil mehreren Leuten gleichzeitig diesen Service anbieten.

Vor vielen Jahres stellten die ÖBB einen sogenannten Komfortwaggon in Dienst, der im Schnellzug "Mozart" zwischen Wien und Paris verkehrte. Die Nachfrage war aber viel zu gering, sodass der K-Wagen, wie er offiziell hieß, bald wieder zurückgezogen wurde. Ob die Werbung für dieses Angebot unzureichend oder die Zeit für so ein Angebot einfach noch nicht reif war? Der K-Wagen bot abschließbare Abteile für zwei oder für bis zu 6 Reisende, Großabteile, die mit Kühlschrank, bequemen Einzelsesseln und im Großabteil mit Konferenztisch ausgestattet waren. Für denWagen stand eine Betreuerin oder ein Betreuer zur Verfügung. Für die Benützung musste zusätzlich zur Fahrkarte erster Klasse noch ein mäßiger Komfortzuschlag bezahlt werden. Bei uns sollte so ein Wagen heutzutage bei entsprechender Werbung durchaus ein Erfolg sein.

Ein verbessertes Angebot muss aber auch Reisenden zur Verfügung stehen, die sich kein Erste-Klasse-Ticket leisten können oder wollen, bzw. Reisenden, die keine Vorausbuchung vorgenommen haben. Es muss einfach Platz sein, für Leute, die ein wenig Privatsphäre wünschen. Bei der DB wurden vor Jahrzehnten auch in einigen Tageszügen Schlafwagen eingesetzt, doch auch dieser Dienst wurde nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Dabei könnten gerade Schlafwagenabteile für einen zusätzliche Erhöhung des Fahrkomforts sorgen. Man stelle sich nur die Möglichkeit vor, nach dem Mittagessen in sein Abteil zu gehen und Siesta zu halten anstatt in einem Großraumwagen zu versuchen, ein wenig zu dösen...

Auch eine Fahrt über eine Dauer von zwei Nächten in so einem Abteil kann interessant und überhaupt nicht anstrengend sein. Wichtig ist, die längere Fahrzeit gegenüber dem Flugzeug nicht als Zeitverschwendung erscheinen zu lassen. Um dies zu erreichen muss ein Umdenken bei den Reisenden einsetzen, denn allzuviel ist in den vergangenen Jahrzehnten am Bild der Bahn zerstört worden.

Eine striktere Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereichen, sowie ein Rauchverbot auf Gängen und im Speisewagen würde ebenfalls zu mehr Komfort führen. Im Flugzeug wird dies auch akzeptiert. Auch die Möglichkeit einer Abteilbewirtschaftung sollte überdacht werden. Zum Beispiel ein Betreuer für zwei Waggons, der Informationen bereit hält und kostenlos Zeitungen zur Verfügung stellt sowie Getränke und Snacks (zusätzlich zum Angebot im Speisewagen, der übrigens vorrangig für Essensgäste reserviert sein sollte) verkauft. Auf längeren Fahrten könnte ein Gratisessen im Fahrpreis inbegriffen sein.

Es könnten auch spezielle Wagen mit Aufenthalts- oder Fernsehräumen, Lesezimmern und einen Barwagen geben. Und nicht zuletzt sollte gerade in Zeiten zunehmender Luftverschmutzung und Verlust von Lebensqualität durch zunehmenden Autoverkehr das Bahnfahren als umweltschonende Alternative zurück in die Köpfe der Leute gelangen oder wenigstens als solche beworben werden.

Anbindung an öffentlichen Verkehr

Nach Erreichen des Zielbahnhofes ist auch die Möglichkeit des Umsteigens auf öffentliche Verkehrsmittel ein entscheidendes Kriterium für die Benützung der Bahn. Als Musterland fungiert die Schweiz, wo der Busbahnhof sowie der Taxistand direkt beim Bahnhof sind, und die Anschlüsse von Zügen, Bussen und Schnellbahnen aufeinander abgestimmt sind. Dieses System funktioniert in Wien flächendeckend nicht einmal zwischen allen Schnellbahnlinien.

Ticket- und Tarifsystem

Die Bahn müsste auch tariflich günstiger werden, insbesondere gilt dies für den Verkehr mit den osteuropäischen Staaten, wo meist über die ganze Länge des Reiseweges - also auch in diesen Staaten selbst - der für die dort lebenden Fahrgäste kraß überteuerte internationale (CIV-)Tarif bezahlt werden muss. Hier wäre ein Aktionsplan zur tatsächlichen Attraktivierung der Schiene nötig. Die seit vorigem Jahr angebotene Rail-Plus-Karte (25 % Preisermäßigung bei internationalen Zugfahrten bei geringer Aufzahlung zur Vorteilscard) ist wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung, müsste nur besser beworben werden.

Durch die Einführung von Zugtickets, die gleichzeitig auch Platzkarten sind, ist es jedem Reisenden, der rechtzeitig sein Ticket erwirbt, möglich, sich genau den Zugsbereich auszusuchen, der seinen Bedürfnissen entspricht. Weiters kann verhindert werden, dass Züge überfüllt sind, und bei Bedarf können Zusatzwaggons angehängt werden. Eine gewisse Platzkapazität muss für Reisende, die nicht rechtzeitig eine Karte erwerben konnten, vorbehalten bleiben.

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe.

Text: Peter Romen, Gerald Pärtan, Klaus Hofstädter
Grafik: Georg Kupf


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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