Israel
Auf dem Weg zum "gelobten Eisenbahnland"
In kaum einem anderen Land hatte die Eisenbahn in den letzten Jahren einen so enormen Umbruch und eine solche Renaissance zu verzeichnen wie in Israel. Leider gibt es davon bislang so gut wie keine Medienberichte, obwohl fast täglich über (welt)politische Ereignisse aus diesem Land berichtet wird. Aber eben nicht über Verkehrspolitik...
Um den Individualverkehrskollaps zu verhindern beschloß die Regierung vor 10 Jahren die Förderung der Schiene. Nach dem Willen von Politik und Eisenbahndirektion sollen "immer mehr Züge rollen". Jährlich werden 250 Mio. US-$ in die Infrastruktur investiert. Alleine im letzten Jahr nahm die Zahl der Fahrgäste um 57% auf 13 Mio. zu (bei 6 Mio. Einwohnern), wobei sich die Zahl der Züge von 201 auf 350 erhöhte. Binnen 10 Jahren will man 40 Mio. Reisende befördern. Mit Fahrplanwechsel 2000 wurde die Zuganzahl um weitere 24% erhöht. 1995 fuhren nur 80 Züge täglich im ganzen Land. Das Netz umfaßt 570 km Haupt- und 330 km Regionalbahnen. Es kommen ausschließlich Dieselfahrzeuge zum Einsatz. Die meisten dieselelektrischen Triebwagen wurden 1992 von Dänemark geliefert.
Hefa bis Tel-Aviv
Die ersten Strecken wurden unter türkischer Herrschaft von der TCDD errichtet: Von Hefa (Haifa) nach Geshér und weiter ins heutige syrische Netz, sowie von Yafo (Jaffa) nach Yerushalayim (Jerusalem). Erstere ist seit Jahrzehnten außer Betrieb, hätte aber touristisch eine Chance bei einer Verlängerung nach Teverya. Denn dort bestünde ein Schiffsanschluss über den See Yam Kinnereret.
Der weitere Ausbau des Netzes erfolgte unter britischer Herrschaft. Der heutige Bahnhof in Hefa wurde 1937 erbaut. Seit 1983 befindet sich dort auch das israelische Eisenbahnmuseum. Weiters fährt dort Israels einzige Metro und auch eine innerstädtische Luftseilbahn. Auf der von dort ausgehenden Hauptstrecke entlang der Mittelmeerküste in die Wirtschaftsmetropole Tel-Aviv fahren die Züge bis zu einem 15-Minuten-Takt. Diese Strecke ist seit 1998 zweigleisig. Alleine von 1999 auf 2000 konnte das Fahrgastaufkommen um 34% gesteigert werden. Ab 2001 kommen 20 neue Garnituren von Alstom zum Einsatz. Ursprünglich befand sich der Bahnhof in der nahe gelegenen Altstadt Yafo, nun direkt in Tel-Aviv.
Eqron - Yerushalayim
Die landschaftlich großartigste Linie verkehrt von Eqron in die historische Hauptstadt Yerushalayim. Seit 1998 ist sie wegen des schlechten Zustandes außer Betrieb. Eisenbahnfreunde organisieren jedoch fallweise Draisinenfahrten. Für eine Reaktivierung stehen 3 Varianten zur Diskussion:
- Sanierung der Bestandsstrecke und Einsatz von Pendolinos
- zweigleisiger Ausbau und Einsatz von normalen Triebwagen
- Bau einer komplett neuen Strecke auf anderer Trasse.
Die Regierung hat sich noch nicht auf eine bestimmte Variante geeinigt. In der Hauptstadt selbst ist bis 2005 der Bau von ca. 51 km meist oberirdischen Straßenbahnen geplant. Die Stadt hat das Glück, in Shmuel Tsabari einen äußerst rührigen Nahverkehrsmanager zu haben.
577% mehr Fahrgäste
Die Südlinie in die Wüste Ha-Negev nach Be'ér-Sheva wurde kürzlich zweigleisig von 80 auf 120 km/h ausgebaut. Die Höchstgeschwindigkeit soll künftig auf 160 km/h erhöht werden. 1999 fuhren nur 3, 2000 bereits 8 Zugspaare täglich. Die Fahrgastzahl erhöhte sich um sage und schreibe 577%.
Die Fortsetzung nach Dimona dient seit 1971 nur mehr dem Güterverkehr in ein Bergbaugebiet. In diesem Abschnitt liegt Israels längste Eisenbahnbrücke. Jedenfalls ist dieses nahöstliche Land ein positives Beispiel dafür, dass sich mit politischem Willen viel mehr Verkehr auf die Schiene verlagern läßt.
Tourismus
Große Nachholbedarf besteht allerdings noch bei der Gewinnung von Touristen, denn fast der gesamte Tourismus wird noch mit Reisegruppen im Flugzeug (Anreise) und dann im Land mit Bussen im Gelegenheitsverkehr abgewickelt. Aber es gibt das Vorbild Schweiz, wo Massen an Touristen gerade wegen der Bahn hinfahren. Vielleicht bald verstärkt auch nach Israel!
Peter Baalmann